1
Okt
2010

Feucht im Tritt

Winnie hatte seinem Bekannten, genauer, seinem Anwalt, erzählt, dass wir um 8 Uhr frühstücken, so dass er uns dort treffen konnte. So spät haben wir die ganze Woche noch nicht gefrühstückt. Aber gut, so konnten wir heute eine wenig länger schlafen.
Als wir uns dann zu dritt über die Erlebnisse unserer Tour unterhielten und darauf zu sprechen kamen, wie unglücklich es Winnies Spargelbauer gestern ergangen war, nicht nur mit dem Einbruch und dem Diebstahl sondern gerade auch mit der Bearbeitung des Vorfalls durch die örtliche Polizei, wendete Winnies Anwalt ein, dass wir den Vorfall nicht neutral beurteilen könnten, ohne die Vorgeschichte zu kennen. Vielleicht hatten ja der Spargelbauer und der Polizist bereits eine Beziehung zueinander, die nicht unbedingt von Sympathie geprägt war und so mitentscheidend für die Reaktion des Polizisten war. Es war wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Anwälte denken (und wie schnell wir Ahnungslosen uns von dem Offensichtlichen beeinflussen lassen).
Es war schließlich fast halb 10, als wir an diesem Tag mit unseren Fahrrädern die Hotelgarage verließen und uns auf den Weg machten. Spät dran waren wir also heute. Da spielte es uns natürlich nicht in die Karten, dass der Elberadweg nach wenigen Kilometern, noch im Stadtgebiet Magdeburgs, überspült und unpassierbar war.
So fuhren wir auf der normalen Straße weiter in Richtung Schönebeck, dem nächsten Ort auf der linkselbischen Seite, bis wir plötzlich ein Fahrradgeschäft entdeckten. Sofort hielten wir an. PA010129Ich ging hinein und kaufte erst einmal einen Adapter für das französische Ventil, welches ich seit meiner Reifenpanne in Hamburg an meinem Hinterrad habe. Zudem nahm ich noch Kettenspray mit und bat den Inhaber des Geschäfts, sich Winnies Bremse anzuschauen, weil der Pedalweg sehr lang war. Er stellte die Bremse richtig ein und dann zeigte ich ihm auch noch meine Bremsbeläge, die an dem vergangenen Regensonntag sehr gelitten hatten. Mit vier neuen Bremsbelägen setzte ich dann die Fahrt bis zur nächsten Tankstelle fort. Hier wurden die Reifen endlich mal wieder richtig aufgepumpt, so dass ich anschließend das Gefühl hatte, deutlich weniger Rollwiderstand zu spüren.
PA010130In Schönebeck angekommen, wurden wir von drei Radfahrern überholt. Der erste grüßte uns, der dritte hatte einen Motor am Hinterrad: es waren die Tschechen, die wir am Sonntag im Alten Land kennengelernt hatten (ich wusste doch, dass wir die noch einmal wiedersehen). Später, an einer roten Ampel, unterhielten wir uns kurz. Die drei hatten Probleme gehabt und lagen hinter ihrem Zeitplan zurück. Sie werden die Tour in Kürze in Riesa abbrechen und im kommenden Jahr fortsetzen. Zunächst fuhren sie aber erstmal weiter.
Da gemäß den Verkehrsschildern die direkte Weiterfahrt auf der linkselbischen Seite nicht möglich schien, fragten wir Einheimische nach dem Weg. Schon in Magdeburg musste ich zur Kenntnis nehmen, was mir jetzt auch hier in Schönebeck bewusst wurde. Die von uns befragten Passanten konnten mir auf meiner Karte nicht eindeutig zeigen, wo wir uns gerade befanden. Wenn man mir in Bremerhaven, egal wo ich gerade bin, eine Karte unter die Nase hält, auf der nur die Umrisse der Stadt und vielleicht noch die Hauptstraßen eingezeichnet sind, könnte ich immer mit einer Abweichung von höchstens 100 m zeigen, wo ich gerade bin. Die Einheimischen hier scheinen eine Landkarte noch nie gesehen zu haben. Vielleicht hat man ihnen zu DDR-Zeiten nie eine Landkarte gezeigt, um zu verhindern, dass sie auch die westlichen Länder entdecken. Auf jeden Fall war auf die Auskünfte, die wir von den Eingeborenen erhielten, nur sehr eingeschränkt Verlass.
So mussten wir auch einen Umweg fahren, um schließlich die Brücke auf die rechtselbische Seite befahren zu können. PA010137Hier fuhren wir weiter zunächst bis zum „Pretziener Wehr“. Seit Tagen hatten wir davon gehört, dass, wenn das Elbehochwasser zu hoch wird, das Pretziener Wehr gezogen wird. Hiermit wird dann verhindert, dass Magdeburg überflutet wird. Das funktioniert folgendermaßen: das Pretziener Wehr liegt an einem Nebenarm der Elbe. Hinter dem Wehr liegt ein Umflutkanal, der bei gezogenem Wehr das Wasser der Elbe aufnimmt. In diesem Fall werden die Flächen jenseits des Wehrs überflutet und der Wasserstand der Elbe nimmt ab, insbesondere dort, wo Magdeburg liegt. Als wir dort ankamen, war das Wehr noch nicht gezogen. Das heißt, die Sperren, die das Wasser halten, waren noch nicht hochgezogen worden. Der Höhenunterschied des Wassers vor und hinter dem Pretziener Wehr betrug heute etwa 2,50 m. Wäre es bereits gezogen worden, hätten wir die Straße hinter dem Wehr nicht mehr passieren können und hätten auf dem Weg zurück fahren müssen, auf dem wir gekommen waren. So aber hatten wir Glück.
PA010139Allerdings hatten wir etwa 10 Kilometer weiter damit zu kämpfen, dass das Wehr noch geschlossen war. Unser Radweg stand im Wasser. Nicht komplett, aber über eine Strecke von vielleicht 20 m. Wir wollten nicht zurück und so durchfuhren wir diesen überspülten Streckenabschnitt. Noch viermal erlitten wir das gleiche Schicksal. Die ersten drei „Pfützen“ ließen sich noch halbwegs feucht überqueren, nach der vierten Wasserdurchfahrt waren schließlich unsere beiden Füße inkl. Socken und Schuhen total nass. Glücklicherweise schien heute durchweg die Sonne und gemeinsam mit dem Fahrtwind wurde alles wieder trocken. So ziemlich wenigstens – später im Hotel waren wir immer noch feucht im Tritt, heißt: die Socken waren immer noch recht nass.
Auf den letzten 15 Kilometern vor unserem Ziel lag ein Fahrrad am Wegesrand – daneben stand einer der drei Tschechen. Sein Reifen, in diesem Fall der Mantel, war kaputt. Alleingelassen von seinen Mitfahrern wartete er auf Hilfe. Da er weder Deutsch noch Englisch sprach und ich außer tschechischem Bier und einem tschechischem Tennistrainer noch keinen Kontakt zu diesem Land hatte, konnten wir uns leider nicht verständigen.
So fuhren wir weiter und kamen um kurz vor 18 Uhr in Dessau an, fanden ein Hotel und fragten, ob es noch möglich wäre, eine Massage zu bekommen. Wahrscheinlich durch das Radfahren habe ich einen verspannten Nacken und manchmal zieht der Schmerz unangenehm in den Kopf. Der Masseur hatte zwar eigentlich um 18 Uhr Feierabend, gab uns aber dennoch Termine um 18:15 Uhr und um 18:45 Uhr. Da Winnie nicht zuerst massiert werden wollte, hatte ich gerade noch 11 Minuten Zeit bis zu meiner Massage, als ich auf mein Zimmer kam. Also schnell ausziehen, duschen, ab in den Bademantel und in den Wellnessbereich. Ich schaffte es gerade so.
Es hat sich gelohnt. Ich erzählte dem Masseur von meinen Problemen und von der Radtour, auf der ich mich befinde und er verpasste mir eine spezielle Radfahrermassage. Super! Winnie ging es schließlich genauso, er war von der Massage ebenso begeistert.
Jetzt fehlte nur noch ein gutes Abendessen – das Mittagessen hatten wir ja ausgelassen, weil wir so spät dran waren heute Vormittag – und das bekamen wir im Brauhaus von Dessau.
PA010144Es war ein wirklich schöner, abwechslungsreicher Tag. Der Elberadweg war zwar nur eingeschränkt befahrbar und sämtliche Fähren auf unserem Weg waren wegen des Hochwassers außer Betrieb, aber gerade diese Situation war auch spannend. Wir wussten nie, ob und wie wir weiterkommen. Aber wir haben es immer geschafft, irgendwie.
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